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Veröffentlicht: 03. Januar 2018
ⵎⵉⵍⵉⴰ
Der international bekannte algerische Musik-Star und Sänger der amazighisch-kabylischen Musik und „Kämpfer“ für die Anerkennung der fundamentalen Komponente der algerischen Identität (die Amazighität) und der amazighischen Sprache ⵜⴰⵎⴰⵣⵉⵖⵜ (Tamazight) in Algerien kehrt nach 38 Jahren Protest-„Exil“ nach Algerien zurück. Er wird am 4. und 5. Januar im Konzertsaal Mohamed Boudiaf in Algier sein erstes Konzert seit 1979 geben.
Dass Idir, der Protest-Sänger gegen die Unterdrückung der Amazighität und der amazighischen Sprache, nach fast 4 Jahrzehnten nach Algerien zurückkehrt, hat es mit den neusten politischen Entwicklungen in seinem Heimatland zu tun. Denn die amazighische Sprache ⵜⴰⵎⴰⵣⵉⵖⵜ (Tamazight) ist eine offizielle und nationale Sprache in Algerien geworden. Auch der amazighische Neujahrstag ⵢⴻⵏⵏⴰⴻⵔ (Yennayer) wurde vor kurzem zu einem algerischem Nationalfeiertag erklärt. Mehr zu diesem Themenkomplex finden Sie hier: Yennayer 2968 in Algerien, Yennayer 2967 und Algerische Identität.
In einem Interview im Onlinemagazin tsa-algerie.com sprach die Ikone der amazighsich-kabylischen Musik viele Themen an, darunter die Frage der algerischen Identität, der amazighischen Sprache Tamazight und die aktuelle Politik Algeriens.
Im Folgenden ein Ausschnitt aus dem TSA-Interview:
Frage: Idir ist ein Künstler, der friedlich und in Ruhe für seine Identität kämpft. Ist das der beste Weg, um Gehör zu verschaffen?
Idir: "Es gibt keine anderen Methoden. Was bringt es, Dinge zu brüskieren? Warum zur Brutalität übergehen, wenn sie nichts löst? Ich bin Algerier, weil das Konzept der Algérianité („Algerienheit“ oder Algerische Identität) für mich wichtig ist, aber ich lasse niemanden meine Identität mit den Füßen treten. Ich möchte meine Identität kultivieren. Ich will, dass sie schön ist, unabhängig von dem, der gegenüber steht; Gegner oder Feind, auch wenn ich keine Feinde habe. Meine Identität ist Teil dieses Landes. Niemand hat das Recht, sie zu beseitigen, zu verstecken und sie schon gar nicht zu vermindern."
Frage: Was halten Sie von den Forderungen nach einer Trennung (Trennung der Kabylei von Algerien), die sich auf Identitätsansprüche beziehen?
Idir: „(…) Diese (die Separatisten) sagen: Gemeinsam haben wir nichts zu tun. Und wenn wir nichts miteinander zu tun haben, sollten wir uns trennen. Was vielleicht nicht normal erscheint (…)."
"Ich bin Kabyle und stolz darauf, ich möchte im Zusammenhang mit dem größten Respekt meiner Vorfahren, meiner Großmutter, meinem Großvater, meinem Vater und meiner Mutter, diese Identität weiterentwickeln (magnifizieren) und sagen, dass sie (Identität) immer da ist, mit oder ohne Euch. Heute habe ich die Mittel, um meine Identität zu leben, ohne dass Ihr in mein Leben eingreifen könnt. Ich hätte mir gewünscht, dass die meisten Menschen so wären.“
Idir, der amazighisch-algerische Star des kabylischen Lieds, kritisiert die Ideen der kabylischen Separatisten als unausgegorene und konzeptlose Vorstellungen, die keine befriedigenden Lösungen bringen. Mit großem Respekt auf alle Algerierinnen und Algerier, die ihr Leben für die Unabhängigkeit Algeriens geopfert hatten sagt er:
Idir: „Viele Mitglieder unserer Familien sind für dieses Land gestorben, das ist ein Ideal. Dieses Ideal wurde von Menschen getragen, die in diesem algerischen Raum die Möglichkeit sahen, eine außergewöhnliche Freiheit zu erlangen.“
Der Kabylen-Star sieht in der Diversität und in allen Unterschiedenheiten Algeriens ein großes positives Potential und erklärt gegenüber tsa-algerie.com:
Idir: „Ich möchte ein gesundes Algerien behalten, das einige Dinge verstehen muss. Wir müssen weiterleben, uns mit unseren Unterschieden bereichern und dieses Land so schön wie möglich machen.“
Frage: Was muss getan werden, um sicherzustellen, dass Identität, Pluralität und Amazighität (Amazighness) algerische Realität wird?
Das Vorbild vieler Kabylen kritisiert die Art und Weise, wie die amazighische Sprache Tamazight in die neue algerische Verfassung aufgenommen wurde, nämlich als eine national-offizielle Sprache zweiter Klasse unter Arabisch. Mehr zu diesem Theme hier: Tamazight als offizielle Sprache zweiter Klasse.
Idir: "Tamazight als Nationalsprache ist ein Schritt. Sie offiziell zu verankern ist ein großer Schritt (…) Aber die Überlegenheit einer Sprache gegenüber einer anderen ist inakzeptabel. Wenn Tamazight offiziell ist, muss sie nicht über oder unter einer anderen Sprache (Arabisch) sein, sie ist mit. Du musst den Mut haben, es zu sagen. Die Lehre von Tamazight (heute) ist eine Maskerade."
Der Kabylen-Sänger fordert daher die algerische Regierung auf, mehr Mittel und angemessene Kapazitäten für die Entwicklung und Verbreitung der amazighischen Sprache (Tamazight) landesweit zu Verfügung zu stellen.
Also müssen wir die Lehre von Tamazight in Algerien überprüfen?
Idir: "Wir müssen alles überprüfen (…) Was machen wir mit dieser Sprache? Nichts für den Moment. Nichts Besonderes. Es kann keine Evolution geben, weil Tamazight nicht die Möglichkeit gegeben wird, sich auszudrücken und unterrichtet zu werden. Wir dürfen nicht sagen, dass die arabische Sprache zum Verbinden da ist. Keine Sprache kann etwas verbinden, wenn sie nicht emotional lebensfähig ist. Diesbezüglich ist die arabische Sprache für mich nicht, weil sie viele Gesichter hervorbringt, die nicht die Realität Algeriens widerspiegeln. Das heißt nicht, dass ich gegen die arabische Sprache bin."
Frage: Es wurde kritisiert, dass Sie nach Algerien kommen, um Konzerte zu geben. Warum?
Idir: "Ich gehe meinen Weg. Ich weiß, wo mein Ideal ist. Ich weiß, woher ich komme und weiß, wohin ich gehe. Einige Leute kritisieren, das ist ihr Recht."
Frage: Was stört an diesem Konzert in Algier?
Idir: "Ich weiß es nicht. Ich, jedenfalls, tue es. Ich bin ein Künstler, wenn ich mir dieses Prädikat anrechnen kann, der in sein Land zurückkehrt, um vor dem Publikum seiner Heimat zu singen. Es (Konzert) ist bereits ausverkauft. Das bedeutet, dass es wahnsinnig wird. Jetzt, wenn einige Leute damit nicht glücklich sind, könnten sie es singen oder sagen (…) Ich gehe meinen Weg fröhlich weiter. Wer nicht mitkommen will, zwinge ich nicht, mich zu begleiten."
ⵏⴰⵊⵉⴱ ⵅⴰⵏⵅⴰⵔ
(Quelle: tsa-algerie.com)